Stimmenverteilung der Auslandstürken bei den türkischen Präsidentschaftswahlen 2018
Der türkische Staatspräsident trat als Spitzenkandidat der AKP an und wurde von vier teils gemäßigten (ANAP), rechtsextremen (MHP und BBP) sowie religiös-extremistischen (Hüda Par) Parteien unterstützt. Dabei erzielte Erdogan bei den wahlberechtigten Türk:innen in Ausland einen Stimmenanteil von rund 60,2 Prozent und rund 52,4 Prozent der Stimmen, die nicht direkt vom Ausland, sondern von Grenzen, See- und Flughäfen aus abgegeben wurden. Im Vergleich zum Gesamtergebnis der türkischen Präsidentschaftswahlen 2018 erreichte Erdogan nur bei den Auslandstürk:innen eine höhere Zustimmung als im Inland selbst.
Wahlumstände sind eine Farce – (Inhaftierte) Gegenkandidat:innen scheitern erneut in der ersten Wahlrunde
National wie auch international wurden die Umstände der kombinierten Parlaments- und Präsidentschaftswahl in der Türkei 2018 als undemokratisch und nicht frei bewertet. Seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei 2016 befand sich die Türkei im Ausnahmezustand, der auch während der Wahlen aktiv war. Tausende Oppositionelle, darunter auch der Präsidentschaftskandidat der HDP Selahattin Demirtaş befanden sich in Haft und die Meinungs- und Pressefreiheit war stark eingeschränkt. Im regierungsfreundlichen Staatsfernsehen wurden Erdogan im Wahlkampf mehr als 180 Stunden Sendezeit zur Verfügung gestellt, den gesamten Oppositionskandidat:innen ungefähr 20 Stunden.Zusätzlich erhielt diese Wahl eine enorme Brisanz, da es sich faktisch um die erste Wahl eines neuen türkischen Staatsführers handelte und daher auch im Vorfeld der Wahl intensiv um die Stimmen der Auslandtürk:innen geworben wurde. Insbesondere die regierende AKP und der amtierende Staatspräsident Erdogan betrieben offen Wahlkampf im Ausland und nutzen hierfür auch den Regierungsapparat.
Bei den türkischen Präsidentschaftswahlen 2014 traten mit Ekmeleddin İhsanoğlu und Selahattin Demirtaş nur zwei weitere Kandidaten an, die jeweils von einer Vielzahl nationaler Parten unterstützt wurden. Bei den türkischen Präsidentschaftswahlen 2018 stellten sich neben dem Amtsinhaber fünf weitere Kandidat:innen zur Wahl, von denen nur Selahattin Demirtaş bereits 2014 antrat.
Der stärkste Herausforderer Muharrem İnce war diesmal nur der Spitzenkandidat der größten Oppositionspartei CHP und wurde nicht wie noch 2014 von einem politisch heterogenen Parteienbündnis aus insgesamt zehn Parteien unterstützt. Muharrem İnce erreichte im Ausland einen Stimmenanteil von rund 24,5 Prozent (Ausland) bzw. rund 36 Prozent an Grenzen, See- und Flughäfen. Insgesamt erreichte der Kandidat der CHP somit bei den türkischen Wahlberechtigten im Ausland deutlich geringere Zustimmungswerte als im Inland. Auch im Vergleich zum Ergebnis der türkischen Wahlberechtigten im Ausland bei den Präsidentschaftswahlen in der Türkei am 10. August 2014 verliert der Kandidat der CHP an Zustimmung.
Auf den dritten Platz wurde wie bereits 2014 Selahattin Demirtaş gewählt, der im ersten Wahlgang rund 11,7 Prozent der Stimmen von den türkischen Wahlberechtigten aus dem Ausland erhielt und rund 5,6 Prozent der abgegebenen Stimmen von Grenzen, See- und Flughäfen. Demirtaş war zum Zeitpunkt der Wahl, wie Tausende weitere Oppositionelle in der Türkei inhaftiert. Demirtaş war der Spitzenkandidat der pro-kurdischen Minderheitenpartei HDP und weiterer vier türkischen Parteien, die der progressiven bis sozialistischen Linke in der Türkei zuzurechnen sind.