Energiekrise in Österreich: Herausforderungen und Perspektiven
Österreich verbraucht mehr Energie, als es produziert
Österreich verbraucht etwa doppelt soviel Energie wie es erzeugt und ist damit zur Deckung seines Energiebedarfs auf Energieimporte angewiesen. Zuletzt wurden 52 Prozent des Energiebedarfs von Österreich durch Einfuhren gedeckt. Die Importe waren gut viermal so hoch wie die Exporte.Etwas mehr als die Hälfte des österreichischen Energieverbrauchs entfällt auf die fossilen Energieträger Öl und Gas. Diese machen mit 80 Prozent den deutlich größten Anteil an den Energieimporten aus. Das Land ist einer der größten Importeure von Gas aus Russland seit Kriegsbeginn in der Ukraine.
Bei der Stromerzeugung nutzt Österreich zwar zum größten Teil bereits erneuerbare Energien, betreibt aber Wärmekraftwerke teilweise noch mit Gas. Auch beim Strom ist der Verbrauch höher als die Erzeugung. Insofern ist der Import von Strom ebenfalls höher als dessen Export.
80 Prozent des von Österreich importierten Gases stammen noch immer aus Russland
In Österreich liegt die Energieerzeugung aus Erdgas deutlich unter der benötigten Menge und damit dem energetischen Endverbrauch, an dem der produzierende Bereich den größten Anteil hat. Daher wird mehr Gas ein- als ausgeführt.Wie bereits beschrieben, führt Österreich sein Gas hauptsächlich aus GUS-Staaten, u.a. Russland, ein. Zu Beginn des Russland-Ukraine-Krieges im Februar 2022 lag der Anteil von Gas aus Russland bei 79 Prozent. In den Folgemonaten ging er zwar zurück, am deutlichsten im Oktober 2022, wo er nur noch 17 Prozent betrug. Zuletzt lag er aber wieder bei 90 Prozent. Relativiert wird dies mit Blick auf die österreichischen Gasimporte seit Februar 2022: Sie gingen immer weiter zurück und lagen im September auf dem niedrigsten Stand seit Kriegsbeginn.
Der steigende Gaspreis lässt die gesamten Energiepreise dramatisch steigen
Seit Kriegsbeginn hat die russische Regierung wiederholt Gaslieferungen gedrosselt und gestoppt. Neben den Herausforderungen für die Energieversorgung brachte dies einen signifikanten Anstieg der Gaspreise mit sich. Durch das Merit-Order-Prinzip, nach dem der teuerste Energieträger - zumeist Gas - den Strompreis bestimmt, ist auch dieser deutlich gestiegen.Seit Anfang 2022 schnellte der Großhandelspreis für den Import von Erdgas nach Österreich regelrecht in die Höhe und erreichte seinen Höhepunkt im August 2022. Seitdem ging er wieder zurück, liegt aber immer noch auf erhöhtem Niveau. Sowohl für die Industrie als auch für private Haushalte stiegen die Gaspreise insbesondere ab dem 2. Halbjahr 2022 drastisch an. Das gilt auch für den Strompreis, allerdings fällt hier der Preisanstieg für die Industrie deutlich höher aus als für die privaten Haushalte.
Für letztere gilt von 1. Dezember 2022 bis 30. Juni 2024 die sogenannte "Strompreisbremse", die die Stromkosten bis zu einem Verbrauch von 2.900 Kilowattstunden jährlich (ca. 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs von Haushalten) mit 30 Cent pro Kilowattstunde deckelt. Bis zu einem Verbrauch von 2.900 Kilowattstunden sind nur 10 Cent pro Kilowattstunde zu zahlen, für den darüberliegenden Stromverbrauch der geltende Marktpreis.
Die hohen Energiepreise lassen die Inflation steigen
Die rapide steigenden Energiepreise ließen die Inflationsrate 2022 auf 8,6 Prozent schnellen - den höchsten Stand seit 1974. Gegenwärtig liegt sie bei 5,4 Prozent. Für 2024 liegen die Prognosen zwischen 3,6 und 4,3 Prozent und damit immer noch deutlich über der Inflation der letzten 10 Jahre. Aufgrund der hohen Inflation und der insgesamt angespannten Wirtschaftslage haben sich die Konjunkturaussichten eingetrübt. Während das Wachstum des BIP im Jahr 2022 noch bei 5 Prozent lag, wird es 2023 mit geschätzt minus 0,8 bis 0,6 Prozent deutlich geringer ausfallen. Auch für 2024 gehen Prognosen von nur 0,6 Prozent bis 1,7 Prozent aus.In der Industrie gehen Umsätze und Auftragseingänge zurück
Die hohe Inflation stellt die energieintensive Industrie, eine der Säulen der österreichischen Volkswirtschaft, vor große Herausforderungen. Durch die enormen Preissteigerungen für Energie hat sie mit steigenden Produktionskosten zu kämpfen, weshalb die Produktion gedrosselt oder teilweise auch eingestellt wurde. So ging die Industrieproduktion seit Mai 2023 im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahresmonaten deutlich zurück. Für das Gesamtjahr 2023 wird ein insgesamter Rückgang um 2,7 Prozent prognostiziert, für 2024 wird ein leichter Anstieg um 0,1 Prozent erwartet. Umsätze sowie Auftragseingang sind ebenso deutlich rückläufig, während die Erzeugerpreise enorm zugenommen haben: Im Jahr 2022 wuchsen sie sprunghaft um 19,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr an, wobei sie im Bereich Energie um beinahe 50 Prozent in die Höhe schnellten. Der Geschäftsklimaindex der Industrie liegt aktuell sowohl hinsichtlich der aktuellen Geschäftslage als auch der Geschäftserwartungen im negativen Bereich – die Aussichten für den Bereich werden klar pessimistisch beurteilt.Inflation und hohe Energiekosten führen bei den Verbrauchern zu nachlassender Konsumlust
Auch die Konsumenten und privaten Haushalte sind stark von der hohen Inflation betroffen. Die Ausgaben für Wohnung, Wasser und Energie sind im aktuellen Warenkorb, aus dem die Inflationsrate abgeleitet wird, mit 19 Prozent der Posten mit dem größten Gewicht - und diese Ausgaben sind 2022 auf um enorme 13 Prozent angestiegen. Die absoluten Konsumausgaben für Energie sind auf ein Rekordhoch von 10,7 Milliarden Euro angestiegen. In der Folge stiegen damit 2022 die gesamten privaten Konsumausgaben sowohl nominell als auch real deutlich an, insbesondere zu Beginn des Krieges. Die Ausgaben für Wohnung, Wasser, Strom und Gas haben daran mit etwa einem Viertel den höchsten Anteil.Die hohe Inflation führte 2022 zu einem Verlust von 3,7 Prozent der Reallöhne gegenüber dem Vorjahr. In der Konsequenz hat sich die Konsumlaune der Verbraucher eingetrübt: Der Verbrauchervertrauensindex liegt im deutlich negativen Bereich, die wirtschaftliche Situation wird pessimistisch eingeschätzt. Entsprechend liegt auch die Anschaffungsneigung im negativen Bereich, d.h. die Mehrheit der Verbraucher hält die allgemeine Wirtschaftslage für zu ungünstig, um größere Anschaffungen zu tätigen. Über die Hälfte der Österreicher gab an, sich weniger leisten zu können als im Vorjahr. Außerdem gab die Mehrheit der Bevölkerung an, eine starke bis sehr starke Teuerung bei Produkten des täglichen Bedarfs wahrzunehmen und ihre Ausgaben aufgrund dessen einzuschränken. Der Großteil sieht die Ursachen der hohen Inflation im Russland-Ukraine-Krieg und den gestiegenen Energiepreisen.
Energieunternehmen fahren aufgrund der gestiegenen Energiepreise hohe Gewinne ein
Die Energieunternehmen konnten durch die hohen Energiepreise hohe Umsätze und Gewinne erzielen, denn sie profitieren durch das Merit-Order-Prinzip von den hohen Gaspreisen, die als teuerste Methode zur Energieherstellung die Preise von Strom bestimmt. Beispielhaft seien hier Umsätze und Gewinne der drei größten österreichischen Energieversorger im Jahr 2022 illustriert:- Der Umsatz von OMV stieg um 75 Prozent auf 62,3 Milliarden Euro, der Gewinn sogar um 85 Prozent auf 5,2 Milliarden Euro.
- Der Verbund-Konzern erhöhte seinen Umsatz um 117 Prozent auf 10,3 Milliarden Euro, seinen Gewinn um 97 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro.
- Wien Energie machte ebenfalls einen Umsatzsprung von 95 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro; der Gewinn stieg um enorme 163 Prozent auf 386 Millionen Euro.
Als Konsequenz dieser "Übergewinne" wurde im Dezember 2022 eine sogenannte Übergewinnsteuer eingeführt, die vorsieht, dass die Energieversorgungsunternehmen im zweiten Halbjahr 2022 und 2023 ihre Zusatzgewinne versteuern. Liegt ihr Gewinn über 20 Prozent des Durchschnittsgewinns des Zeitraums 2018 bis 2021, sollen darauf 40 Prozent Steuer anfallen. Wird in erneuerbare Energie investiert, beträgt die Steuer 33 Prozent. Darüber hinaus werden Erlöse von Stromerzeugern ab bestimmten Grenzwerten vom Staat abgeschöpft: Der Erlös mit 180 Euro pro Megawattstunde gedeckelt, ohne Investitionen in erneuerbare Energie mit 140 Euro.
Drei Branchen im Fokus: Verkehr, Bau und Tourismus
Exemplarisch werden die Auswirkungen der Energiekrise in drei Branchen aufgegriffen.- Im Verkehr stiegen die Verbraucherpreise 2022 überproportional um 16 Prozent an. Die Preise für Benzin und Diesel zogen stark an und lagen zeitweise bei über 2 Euro pro Liter.
- Im Baugewerbe gingen sowohl der Baukostenindex als auch der Baupreisindex in die Höhe. Der Baukostenindex beobachtet die Entwicklung der Kosten, die den Bauunternehmern bei der Ausführung von Bauleistungen durch Veränderung der Kostengrundlagen (Material und Arbeit) entstehen. Der Baupreisindex gibt Auskunft über die Veränderung der tatsächlichen Preise, die der Bauherr für Bauarbeiten bezahlen muss.
- Nachdem in den Jahren 2020 und 2021 die Corona-Krise der Tourismusbranche stark zu schaffen gemacht hat, drückt nun die gestiegene Inflation die Reiselust der Verbraucher. Die Verbraucherpreise für Restaurants und Hotels sind 2022 um satte 9 Prozent gestiegen. Aus diesem Grund schränken drei Viertel der Österreich ihre Ausgaben in diesem Bereich ein. Zwar ging die Bruttowertschöpfung im Jahr 2022 wieder deutlich nach oben, reicht allerdings nicht an das Vor-Corona-Niveau heran. Für 2023 und 2024 wird nur eine geringe Erhöhung der Bruttowertschöpfung prognostiziert.
Wie sieht die zukünftige Energieversorgung Österreichs aus?
Aktuell sind Österreichs Erdgasspeicher komplett gefüllt. Damit wird das Land gut über den kommenden Winter kommen. Wie aber sieht es in der Zukunft aus?Österreich wird wohl auch weiterhin Gas aus Russland importieren. Einerseits hat die EU aufgrund des Russland-Ukraine-Kriegs keine Sanktionen gegen russisches Gas - wie gegen russisches Öl - erlassen. Andererseits ist das österreichische Öl- und Gasunternehmen OMV vertraglich bis 2040 an die Lieferungen des russischen Unternehmens Gazprom gebunden. Der Vertrag zwischen beiden Unternehmen enthält eine Klausel, die Gazprom zu einer bestimmten Liefermenge verpflichtet; gleichzeitig muss OMV als Importeur auch bei Nichtabnahme zahlen - und zwar über 90 Prozent. Es stellt sich aber die Frage: Wie kommt das russische Gas überhaupt nach Österreich?
Ein Vertrag zwischen der Ukraine und Russland regelt den Transit durch die Transgas-Pipeline, über die Österreich sein Gas bezieht. Dieser läuft Ende des Jahres 2024 aus, und sowohl die Ukraine als auch Russland wollen ihn nicht verlängern - Österreich braucht also Alternativen. Entweder könnte das russische Gas von der Transgas- auf die Turkstream-Pipeline umgeleitet werden, deren Kapazität allerdings beschränkt ist. Oder Österreich könnte mehr Gas aus Norwegen und Flüssiggas (LNG) kaufen. Diese müsste ebenfalls durch Pipelines via Deutschland geliefert werden, wofür die Infrastruktur aber noch nicht fertiggestellt ist. Hier könnte das Projekt "WAG Loop" Abhilfe schaffen: Über die West-Austria-Gasleitung (WAG) wurde lange Zeit Gas aus Russland über Österreich nach Deutschland geliefert. Nun soll die WAG so ausgebaut werden, dass mehr Gas aus Deutschland nach Österreich fließen kann. Da der Ausbau noch nicht begonnen wurde, werden bis dahin noch einige Jahre vergehen.
Wenn Österreich seinen Gasverbrauch reduziert, erneuerbare Energien wie Biogas und grünen Wasserstoff bei der inländischen Gasproduktion ausbaut und darüber hinaus noch benötigtes Gas aus anderen Ländern als Russland importiert, könnte es seine Erdgasversorgung ab 2027 ohne Einfuhren aus Russland decken. Beim Stromverbrauch kommen die Erneuerbaren tatsächlich schon auf einen Anteil von knapp 80 Prozent. Außerdem wird verstärkt in die Energieforschung investiert: Die Ausgaben der öffentlichen Hand dafür sind 2021 und 2022 deutlich angestiegen. Der größte Teil davon wurde auf Forschung im Bereich Energieeffizienz aufgewandt.
Es sind also durchaus unterschiedliche Stellschrauben vorhanden, um unabhängig von russischen Gasimporten zu werden bzw. sogar eine Energiewende herbeizuführen. Bleibt abzuwarten, wie sie aufgrund der noch bestehenden Verträge mit Russland genutzt werden.